Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 2 (2010), 1

Titel der Ausgabe 
Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung 2 (2010), 1
Weiterer Titel 
Kulturtechnik

Erschienen
Hamburg 2010: Felix Meiner Verlag
Erscheint 
zweimal jährlich
ISBN
978-3-7873-1951-0
Preis
Jahresabonnement (2 Hefte): € 48.00 Einzelheft: € 28.00 (beides zuzüglich Versand)

 

Kontakt

Institution
Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung
Land
Deutschland
c/o
Redaktion: Michael Cuntz, Harun Maye, Leander Scholz. Redaktionsassistenz: Karoline Weber Internationales Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie (IKKM) Bauhaus-Universität Weimar 99421 Weimar E-Mail: <redaktion-zmk@uni-weimar.de> Tel: +49 (3643) 58-4000 Fax: +49 (3643) 58-4001
Von
André Wendler

Die Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung (ZMK) zielt auf die fächerübergreifende Diskussion einer Theorie der Kulturtechniken sowie medienphilosophischer Problemstellungen. Dabei geht sie davon aus, dass sich die Evolution medienkultureller Zusammenhänge nur adäquat erfassen lässt, wenn der Rolle von Artefakten, Apparaturen und Dispositiven bei Kulturleistungen und deren Reflexion Rechnung getragen wird. Der Schwerpunkt der Fachbeiträge liegt daher auf der Analyse der Wechselbeziehungen von Handlungen, Erkenntnissen und Werken in Ensembles aus menschlichen und nichtmenschlichen Agenten. Damit bietet die Zeitschrift auch der inzwischen als Fachdisziplin etablierten kulturwissenschaftlichen Medienforschung ein internationales Forum.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis
Zeitschrift für Medien- und Kulturforschung – Heft 1/10 „Kulturtechnik“

Editorial
Lorenz Engell / Bernhard Siegert

Aufsätze

Jacques Aumont
„Verklärte Nacht“: der Himmel, der Schatten und der Film

Eva Geulen
Betriebsgeheimnisse der »Pädagogischen Provinz« in Goethes Wanderjahren

Marta Braun
Muybridge/Technology

Louise Merzeau
Digitale Fotografien: Für einen öffentlichen Gedächtnisraum

Archiv

André-Georges Haudricourt
Technologie als Humanwissenschaft

Michael Cuntz
Kommentar

Schwerpunkt Kulturtechnik

Erhard Schüttpelz
Körpertechniken

Harun Maye
Was ist eine Kulturtechnik?

Wolfgang Schäffner
Elemente architektonischer Medien

Bernhard Siegert
Türen. Zur Materialität des Symbolischen

Cornelia Vismann
Kulturtechniken und Souveränität

Manfred Schneider
Die Hand und die Technik. Eine Fundamentalcheirologie

Susan Leigh Star
Residual Categories: Silence, Absence and Being an Other

ABSTRACTS

Jacques Aumont
„Verklärte Nacht“: der Himmel, der Schatten und der Film

Das Kino ist als fotografisches Medium eine Kunst des Lichts. Aber die Beherrschung der Ausleuchtung und die „dunkle“ Seite seines Dispositivs haben es sehr früh zur Figuration des Schattens hingeführt und es so auf etwas verwiesen, das seit je zu den Grundvoraussetzungen aller Bildkünste gehört.
Die Nacht zu filmen bedeutet aber etwas anderes, denn es bringt die Figuration des Himmels im Zustand der Dunkelheit mit sich. Dies entspricht nicht seiner gewohnten Darstellung. Es bedeutet, sich auf ein singuläres figuratives Projekt einzulassen, das beinahe einen Selbstwiderspruch darstellt. Genau darin demonstriert dieses Projekt die Autonomie des Figurationsprozesses.

Erratum:
Im Artikel von Jacques Aumont sind zwei der Bildunterschriften fehlerhaft. Dies betrifft die Abbildungen 1 und 7, die fälschlicherweise auf die Filme NOSFERATU und ELEGIJA IS ROSSII verweisen. Korrekt sind die folgenden Bildunterschriften:
Abb. 1: DER BRENNENDE ACKER (D 1922, Friedrich Wilhelm Murnau)
Abb. 7: DUCHOWNYE GOLOSA (SPIRITUAL VOICES/STIMMEN DER SEELE, RU 1995, Alexander Sokurow)

Eva Geulen
Betriebsgeheimnisse der „Pädagogischen Provinz“ in Goethes Wanderjahren
Seit Rousseau wurde Erziehung immer wieder als eine außerstaatliche Gegenwelt vorgestellt. Dieser Insistenz auf Erziehung als einem autonomen System entgeht, dass die imaginierten Gegenwelten sich nicht nur vom Staat absetzen, sondern ihn tendenziell auch ersetzen sollen. Es gehört zur Eigendynamik des Bildungsbegriffs, der sich seit Rousseau emanzipiert hat, dass unter dem Druck der Separierung zwischen Staat und Erziehung häufig genau jene Staatslogik reproduziert wird, der man im Namen autonomer Bildung etwas entgegenzusetzen glaubt. Der Aufsatz verfolgt diese Eigendynamik anhand der Konzeption einer „pädagogischen Provinz“ in Goethes Wanderjahren, die selbst eine Art Miniatur-Staat darstellt, in dem Menschen und Güter in ungeschiedenem Lebenszusammenhang produziert werden.

Marta Braun
Myubridge/Technology
Eadward Muybridge’s 1887 photographic atlas Animal Locomotion is a curious mixture of art and science, a polysemic text that has been subject to a number of readings. This paper focuses on Muybridge’s technology. It seeks to understand his commitment to making photographs with a battery of cameras rather than a single camera. It suggests reasons for his choice of apparatus and shows how his final work, The Human Figure in Motion (1901), justifies the choices he made.

Louise Merzeau
Digitale Fotografien: Für einen öffentlichen Gedächtnisraum
Die Modalitäten der Produktion, Archivierung, Verbreitung und Vergesellschaftung digitaler Fotografie produzieren eine neue Ökonomie der Körper und der Blicke. Wenn digitale Bilder zu Körperoberflächen und Blogs zu agierenden Archiven werden, transformiert sich der öffentliche Gedächtnisraum im Spannungsfeld zweier gegensätzlicher Pole: Privatisierung und Standardisierung des Bild-Gedächtnisses in den Bilddatenbanken großer Agenturen einerseits und rhizomatisches Netzwerk-Gedächtnis andererseits, das im Spiel seiner Verschaltungen zum virtuellen imaginären Museum wird. An diesem Ort partizipieren die digitalen Bilder an der Produktion des politischen Körpers.

Erhard Schüttpelz
Körpertechniken
Der Beitrag rekonstruiert das Konzept der Körpertechniken von Marcel Mauss: die sozialanthropologische Grundlage, die techniktheoretische Stellung und das systematische Programm dieses Begriffs. Ausgehend von Mauss lassen sich die modernen Körpertechniken und ihre Medienerfindungen einer doppelten Lesart unterziehen: als Strategien einer Reduktion des Körpers und als Projekte einer wechselseitigen psychosomatischen, rituellen und medialen Intensivierung.

Harun Maye
Was ist eine Kulturtechnik?
Kulturtechniken sind Praktiken, die an der Konstitution von Kulturen und Kollektiven beteiligt und durch Medien und Erziehung vermittelt sind. Das Konzept ist nicht auf die sogenannten elementaren Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen) beschränkt, sondern beinhaltet auch Techniken des Körpers, Repräsentationsverfahren und andere Techniken der Hervorbringung. Im Gegensatz zu einem pädagogischen Verständnis von Kulturtechniken geht es der medienwissenschaftlichen Kulturtechnikforschung nicht um die Vermittlung von Hochkultur, Bildung oder Kunst, sondern ganz grundsätzlich um die Analyse von kultureller Kommunikation, insofern sie als technisches Verfahren beschrieben werden kann.

Wolfgang Schäffner
Elemente architektonischer Medien
Der Artikel versucht Architektur als räumliches Medium zur Übertragung, Verarbeitung und Speicherung von Informationen, Objekten und Personen zu analysieren. Damit wird der architektonische Raum nicht nur zu Effekten dieser medialen Operationen, sondern er modelliert und materialisiert zugleich diese Prozesse. Die Öffnung wird dabei als Grundelement architektonischer Medien beschrieben. Auch so klassische Elemente wie Fenster und Türen erhalten in diesem Zusammenhang im Sinne eines Raums als perforierte Membran eine neue mediale Qualität.

Bernhard Siegert
Türen. Zur Materialität des Symbolischen
Türen sind Medien der Architektur als einer elementaren Kulturtechnik, weil sie die Leitdifferenz der Architektur, die Differenz von innen und außen, prozessieren. Die Tür ist eine Maschine, durch die das Symbolische in der Architektur materialisiert war. Der Beitrag beschreibt anhand von Beispielen aus der Kultur-, Literatur- und Kunstgeschichte die nomologischen, epistemischen und sozialen Aspekte und Paradoxien der Tür als analoges und binärlogisches Medium. Mit der Abschaffung der Türklinke durch die Erfindung der Dreh- und automatischen Schiebetür verabschiedet sich um 1900 die Tür vom Menschen und wird zu einer biopolitischen Maschine, die den Menschen nicht mehr als persona adressiert, sondern als Störgröße verarbeitet.

Cornelia Vismann
Kulturtechniken und Souveränität
Der Text zeichnet eine Theorie der Kulturtechnik nach, die Kultur beim Wort nimmt und dem Wort colere die Techniken der Kultivierung abgewinnt. Kulturtechniken weisen immer einen Bezug zur Ordnung des Symbolischen auf, aber sie errichten die symbolische Ordnung nicht nur, sie widerstreiten ihr auch. Schließlich stellen die Dinge, Operatoren und Medien der Kulturtechniken die Annahme eines souveränen Subjekts in Frage, das die für die Kultur konstitutiven Prozesse meistert. Das Recht ist herausgefordert, auf diesen Einbruch klassischer Souveränitätslehren zu reagieren und Dinge und Medien einen anderen Platz als den eines bloßen Mittels zum rechtlich sanktionierten Zweck einzuräumen.

Manfred Schneider
Die Hand und die Technik. Eine Fundamentalcheirologie
Der Kirchenvater Gregor von Nyssa feierte noch die Evolution der Hand als Geschenk an Mund und Lippen: Von der tierischen Fron des Nahrungserwerbs freigestellt, kann sie sich ganz dem Dienst der Sprache und Rationalität widmen. Die Moderne ging nun daran, die Hand in einem wachsenden Maschinenpark zu entlasten. Das Glück darüber ist aber gedämpft. Wenn die Hand nicht mehr dem Mund, sondern den Maschinen dient, geht damit nicht auch der Kontakt zum Menschsein selbst verloren? In auffälliger Insistenz wehrt die Moderne den Sturm der Technik, der Evolution und der Animalität auf das humane Privileg mit Meditationen über die Schicksale der Hand ab.

Susan Leigh Star
Residual Categories: Silence, Absence and Being an Other
Residual categories such as »not elsewhere categorized« densely populate modern information systems. This article roughly categories two types of modern information surveillance and notification systems, statistical and event-based. It examines the nature of residual categories arising from each, and proposes some methodological considerations for how these impact moral order within information infrastructure. The article concludes with comments about how the inclusion of lived experience might ameliorate a sort of moral gridlock often encountered today in large-scale information systems.

<www.ikkm-weimar.de>

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